Textreihe zu #DO1404 [Teil 1] Kurzabriss über die Neonaziszene in Dortmund

Am 14.04. wollen Dortmunder Neonazis einen europaweit mobilisierten Aufmarsch unter dem Motto “Europa erwache” veranstalten. Wir wollen in mehreren Beiträgen die Attraktivität Dortmunds für Neonazis beleuchten und versuchen darzustellen was vom Aufmarsch der Nazis am 14.04 zu erwarten sein wird.
Im ersten Teil gibt es einen Kurzabriss über die Dortmunder Neonaziszene. Die weiteren Teile werden in den nächsten Tagen veröffentlicht.

Teil 1 Die Neonaziszene in Dortmund

Dortmund ist schon seit Jahrzehnten als Nazihochburg in Westdeutschland bekannt. Seit 2000 wurden mindestens 5 Menschen durch Neonazis in der Stadt ermordet: Die drei Polizist*innen Thomas Goretzky, Yvonne Hachtkemper und Matthias Larisch-von-Woitowitz, der Punk Thomas “Schmuddel” Schulz und der Kioskbesitzer Mehmet Kubaşık. Die rechtsextreme Szene Dortmunds bezieht sich immer wieder positiv auf diese Morde. Einer der Mörder ist nach seiner Haftentlassung weiter in der Neonaziszene aktiv.
Bis heute gibt es in Dortmund immer wieder körperliche Angriffe und Übergriffe auf Migrant*innen, Antifaschist*innen und alle anderen, die nicht in das rechte Weltbild passen. Auch 2017 führte Dortmund die Statistik rechter Straftaten in NRW klar an.

Den Kern der Dortmunder Neonaziszene bilden die Aktivist*innen um den Dortmunder Kreisverband der Partei “Die Rechte”. Dieser kann als Nachfolgeorganisation der 2012 verbotenen Kameradschaft “Nationaler Widerstand Dortmund”(NWDO) gesehen werden. Die Partei sitzt mit einer Person im Stadtrat und bildet gemeinsam mit einem Vertreter der NPD eine Ratsgruppe.
Im Fanbereich des Vereins Borussia Dortmund muss zum Beispiel die seit 1982 bestehende Hooligangruppe “Borussenfront” als Neonazigruppe genannt werden, aber auch andere Fangruppen fallen immer wieder durch rechtsextreme Taten auf. Obwohl der Verein sich in den letzten Jahren klarer gegen Neonazis positioniert hat und zahlreiche Stadionverbote erteilt wurden, tauchen insbesondere bei internationalen Auswärtsspielen immer noch Neonazis unter den Zuschauern auf.
Zu erwähnen ist außerdem die noch relativ junge “Aktionsgruppe Dortmund West”, die vorallem durch Sprayereien und andere aktionistische Aktivitäten im Dortmunder Westen auftritt und somit an frühere Formen der “Autonomen Nationalisten” anknüpft.
In den 2000ern gab es in Dortmund zudem eine Zelle des internationalen Terrornetzwerks Combat 18(C18) aus dem Umfeld der Band “Oidoxie”. Die Band ist bis heute aktiv, ob es die Zelle weiterhin gibt ist unklar. 2016 gab es jedoch im Umfeld des Neonaziaufmarsch “Tag der deutschen Zukunft”(TddZ) in Dortmund ein Treffen internationaler C18-Aktivisten.
Seit einigen Jahren sind die Dortmunder Nazis auch am Aufbau des rechtsextremen Kampfsport-Business in Deutschland stark beteiligt. So unterstützen Dortmunder Neonazis das internationale Kampfsport-Event “Kampf der Nibelungen” nicht nur organisatorisch, sondern traten auch als Kämpfer an. (mehr Infos auf dem Blog “Runter von der Matte”)
Die Aufzählung der Neonazigruppen in Dortmund ist an dieser Stelle unvollständig. Hinzu kommen weitere Gruppen und Einzelpersonen.
All diese verschiedenen Neonazigruppen dürfen allerdings nicht getrennt betrachtet werden, sondern als Teil einer gemeinsamen Szene. Es gibt diverse personelle Überschneidungen zwischen den verschiedenen Gruppen und Auftrittsformen, sowie eine regelmäßige und enge Zusammenarbeit.

Die Infrastruktur der rechtsextremen Szene bilden ein eigenes Dortmunder Nachrichtenportal, ein eigener Versand-Shop und mehrere Immobilien im Besitz von Neonazis. Erst im letzten Jahr hat ein Dortmunder Neonazi ein Haus in Dortmund-Dorstfeld gekauft.
Besonders in einem kleinen Teil des Stadtteils Unterdorstfeld haben sich die Rechtsextremen einen Rückzugsraum geschaffen. Dort existieren einige Neonazi-WGs, die die Nazis selbstbewusst durch eindeutige Graffitis markiert haben. Auch wenn dieser Rückzugsraum nur wenige Straßen umfasst und nur einige Dutzend rechte Aktivist*innen dort wohnen, bietet er den Nazis einen enormen Rückhalt im öffentlichen Auftreten. Dieser Auftritt ist nicht zuletzt auch dadurch geprägt, dass Dorstfeld bewusst als “Nazi-Kiez” propagiert wird und versucht wird diesen zur “national befreiten Zone” zu stilisieren. Auch wenn dieses Bild nicht der Realität entspricht, müssen die Neonazis viele gesellschaftliche Sanktionen durch Vermieter, Nachbarn oder ähnliches nicht mehr fürchten. Dortmund übt dadurch auch überregional Anziehungskraft auf Rechtsextreme aus. So ist beispielsweise der NRW-Vorsitzende der Partei “Die Rechte” 2017 von Bielefeld nach Dortmund gezogen, nachdem er zuvor jahrelang erfolglos versucht hat einen Kreisverband von “Die Rechte” in OWL aufzubauen.

Obwohl sich die Anziehungskraft nicht allein darauf zurückführen lässt, ist zu berücksichtigen, dass die Stadt Dortmund über Jahre hinweg der rechten Szene mit keinem klaren oder funktionierendem Konzept begegnet ist und den Nazis bisher relativ hilflos gegenüber steht. Auch wenn die Stadt immer wieder betont, gegen rechts vorzugehen und es zum Beispiel eine eigene Polizeisonderkommision dazu gibt, konnte sie den Druck auf die rechte Szene bisher nicht spürbar erhöhen. Es scheint vielmehr so, als sollten die Aktivitäten der Stadt eher die Öffentlichkeit beruhigen, als spürbar die Rechtsextremen eindämmen. Sichtbaren Ermittlungsdruck gibt es nur wenn die Neonazis zu selbstbewusst werden. So gab es im Februar 2016 einige Hausdurchsuchungen, nachdem Neonazis in der Sylvesternacht Polizist*innen in Dorstfeld angriffen. Knüpft man an dieses Bild an, so zeigt sich, dass von städtischer Seite zwar immer wieder Versuche unternommen und in einigen Fällen rechtsstaatliche Mittel angewandt werden, die Stadt sich aber gleichzeitig nicht als fähig oder Willens erweist, das Neonazi-Problem in Dortmund zu lösen.

 

Wir haben in diesem Artikel weitestgehend auf Namensnennungen von einzelnen Neonazis verzichtet, weil wir nicht wenige Kader, sondern die Szene in den Fokus rücken wollten. Wer auf der Suche nach Namen und Bildern der Dortmunder Neonazis ist, wird hier fündig: naziwatchdo.noblogs.org

Im zweiten Teil unserer Textreihe wird es um das Thema Rechtsextreme Aufmärsche in Dortmund gehen.

Weitere Infos zu dem Neonaziaufmarsch am 14.04.:
dortmund.blogsport.de
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twitter: @dortmund1404
#do1404